Gemischte Stimmung, geteilte Ansichten rund um die Asse
Asse
von Florian Sievers Hintergrund
Was denken die Menschen in den Dörfern und Städten rings um die Schachtanlage Asse II im Osten Niedersachsens? Welche Meinung haben Anwohner*innen über die geplante Bergung der dort eingelagerten Atommüll-Fässer? Stimmen aus der Region.
Rings um die Asse im östlichen Niedersachsen sind die Gefühle gemischt und die Ansichten gespalten. „Uns läuft die Zeit davon!“, befürchten die einen. Sie verlangen, den schwach- und mittelradioaktiven Atommüll aus dem ehemaligen Salzbergwerk lieber heute als morgen zu bergen. „Ein unkalkulierbares Risiko“, urteilen andere über die geplante Rückholung ab 2033. Sie fordern, die Schächte zu versiegeln und die vorgesehenen rund 3,35 Milliarden Euro besser anderweitig zu verwenden. Die Mittel für die eigentliche Rückholung sind dabei noch gar nicht berücksichtigt. In der letzten Ausgabe des Magazins „Asse Einblicke“ hatte die Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) die Leser*innen dazu eingeladen, per Postkarte ihre Meinung zur Asse allgemein und speziell zur geplanten Rückholung mitzuteilen. Das erforderte etwas Einsatz, schließlich mussten die Teilnehmer*innen erst zum Stift greifen und das Resultat hinterher auch noch zum Briefkasten bringen. Umso mehr hat sich das Team der Info Asse über die große Resonanz von mehr als 120 Zuschriften gefreut. Sie ergaben unterm Strich ein geteiltes Bild.
Eines immerhin haben viele Einsender*innen gemeinsam: Der Atommüll in der Asse bereitet ihnen Bauchschmerzen. „Als Wolfenbüttelerin lebe ich hier mit Sorge, Angst und dem Gefühl, alleine gelassen worden zu sein. Hier wird eine Lösung auf Jahrzehnte verschoben.“ Das schreibt eine Anwohnerin aus der nahegelegenen Kreisstadt Wolfenbüttel, die nicht namentlich genannt werden möchte. „Atomklo“, so nennen viele, wie etwa Dieter Bobes aus Lehre-Flechtorf, ihre Heimatregion. Die Asse sei ein „Skandal“, findet Doris Hoffmann aus Wendeburg. Eine weitere Einsenderin aus Wolfenbüttel, die ihren Namen nicht gedruckt sehen will, weist allerdings auch darauf hin, dass die Atomtechnologie „in Deutschland im Westen“ viel Wohlstand gebracht habe. Nun brauche man Tatkraft und Weisheit, um mit ihren Folgen umzugehen.
„Ich vermag es nicht zu sagen, ob ich für oder gegen eine Rückholung bin; das überlasse ich Fachleuten“
Manche Anwohner*innen, wie etwa der Braunschweiger Hans Güse, sind allerdings skeptisch, dass die Politik das Problem ernsthaft angehen und das ehemalige Salzbergwerk wirklich räumen lassen will. „Wie viele Bundesumweltminister werden noch in die Schachtanlage Asse einfahren (und), wenn sie wieder oben angekommen sind, mit kernigen Worten sagen, dieses Zeug muss schnellstens raus?“, schreibt er. Andere sind sich unsicher in ihrer Haltung. „Ich vermag es nicht zu sagen, ob ich für oder gegen eine Rückholung bin; das überlasse ich Fachleuten“, schreibt Manfred Künniger aus Königslutter: „Mir dauert das allerdings alles zu lange.“
„Verfüllen, stabilisieren und fertig“
Im Gegensatz dazu sind andere Einsender*innen sehr entschieden – und zwar gegen eine Bergung. Ulrich Rueß aus Schöppenstedt beispielsweise fordert: „Drin lassen, verfüllen, stabilisieren und fertig.“ Er sei mehrere Male unten im Schacht gewesen und fühle sich „absolut sicher“. Vor allem die Frage, ob eine Rückholung letztlich nicht gefährlicher sei, als den Müll einfach in der Asse zu belassen, treibt mehrere Anwohner*innen um. „Wir als 81- bis 83-jährige Bürger haben nicht mehr viel zu verlieren, aber wir sind entsetzt darüber, wie mit der Zukunft unserer Nachfahren umgegangen wird. Rückholung wohin?“ Das schreiben Renate Demski und Wolfgang Demski aus Ampleben sowie Robert Kiel aus Berlin.
„Die reale Strahlenexposition der Personen bei Bergung und Rückholung und Zwischenlager mit Bearbeitung ist wesentlich höher als bei der Verfüllung der Asse“, argumentiert ein Bürger aus Schwülper, der namentlich nicht genannt werden möchte. Wie ihn schreckt viele die Aussicht ab, dass der geborgene Atommüll zunächst oberirdisch zwischengelagert werden soll. So wie Rene Böttger aus Lengede: „Bei ‚Rückholung’ wird es keine Alternative zur Aufarbeitung und Zwischenlagerung direkt vor der Nase der Befürworter geben. Haben die sich das nicht überlegt? Sind wohl keine Schachspieler dabei; die denken nämlich ein paar Züge voraus.“ Und Wilfried Paszkowski aus Meine rechnet damit, dass erst „ferne Generationen, die das Endlager aufschließen“ die notwendige Technik haben werden, um Gefahren auszuschließen.
„Kalkulierbares Risiko“
Das sieht Michael Walther aus Eimersleben ganz anders: „Rückholung ist ein kalkulierbares Risiko im Gegensatz zu Versuchen, die Fässer im Bergwerk einzukapseln.“ Der Wolfenbütteler Ingo Raupers pflichtet ihm bei: „Generell kann niemand die eine Million Jahre für ein Endlager glaubhaft vorhersehen. Atommüll muss daher meiner Meinung nach immer rückholbar gelagert werden.“ Und für Marina Hoffmann aus Bodenstedt überwiegen die Vorteile, dass die Fässer aus der Asse nach einer Bergung wieder zugänglich sind – weil sich der Müll oberirdisch besser kontrollieren lässt.
Wenn der Atommüll dagegen in der Asse bliebe, dann werde er über kurz oder lang die Umwelt belasten, befürchten viele Anwohner*innen. So wie Marion Selle aus Cremlingen: „Die tickende Zeitbombe muss schleunigst geräumt werden.“ Helene Wedderkopf aus Schwülper fordert darum gleich drei Mal ein schnelleres Vorgehen. Und die Ahlumerin Monika Demuth schreibt: „Wenn der Atommüll unten bleibt, haben wir heute die gleiche ‚Aus-den-Augen-aus-dem-Sinn’-Mentalität wie damals.“.
„Die Zeit läuft uns davon!“
Die Frage allerdings, wo und wie der Müll sicher gelagert und bearbeitet werden kann, ist auch für diejenigen Einsender*innen entscheidend, die für eine Rückholung sind. Astrid Meier aus Evessen etwa schreibt: „Wann gibt es endlich einen Standort für radioaktiven Müll? Die Zeit läuft uns davon! Wird damit gespielt, dann spielt man mit der Zukunft von Generationen.“ Bis dahin pochen viele Anwohner*innen auf ein transparentes Vorgehen, verbunden mit ehrlichen und lückenlosen Informationen für die Öffentlichkeit. „Politik, Wirtschaft und Gemeinde sowie Behörde könnten einmal mehr zeigen, wie professionell sie jetzt damit umgehen können“, findet etwa Felix Kroll aus Königslutter.
Mehr noch: „Die Asse ist eine Riesenchance, Wissen und Erfahrung zu sammeln, wie unbekannte/unerforschte Projekte MIT der Bevölkerung zusammen positiv abgewickelt werden könnten“, schreibt der Braunschweiger Heinz Brandt. Monika Voigt aus Helmstedt setzt darauf, dass dabei dauerhaft Arbeitsplätze entstehen. Und Hans-Dieter Reuter aus Braunschweig bringt noch ein Lob an: „Ich möchte allen, die sich beteiligen und engagieren, meine allergrößte Hochachtung zum Ausdruck bringen. Ohne sie wäre unsere Region um ein Vielfaches ärmer!“
Wie die BGE zu den Herausforderungen von Rückholung, Abfallbehandlung und Zwischenlagerung steht, können Leser*innen im Themenschwerpunkt Rückholung auf der Website der BGE (externer Link) und der Unterseite Asse auf dieser Website nachlesen