"Wir benötigen unverfälschte Referenzwerte aus dem Deckgebirge"

14.12.2020 Interview

Dr. Jens Führböter ist Geologe und arbeitet in der Abteilung Endlagersicherheit, Gruppe Langzeitsicherheitsanalysen. Ein Interview über die Erkundungsbohrungen, das Wasser-Problem in der Asse und die gewonnenen Daten.


Einblicke: Es wurde schon viel auf der Asse erkundet, warum erkundet man jetzt noch weiter?

Dr. Führböter: Je nach Nutzungsform der Schachtanlage Asse II wurden in ihrer über 100-jährigen Geschichte unterschiedliche Anforderungen an die Erkundung gestellt. Der untertägige Lösungszutritt aus dem Deckgebirge ist seit 1988 bekannt. Viele Bohrungen und Erkundungsmaßnahmen fanden aber davor statt. In den vergangenen Jahren haben wir den Datenbestand aufgearbeitet und geprüft, welche benötigten geologischen Kenntnisse fehlen. Darauf aufbauend haben wir anschließend neue Erkundungsprogramme festgelegt. Als ersten Schritt haben wir die geologische Oberflächenkarte überarbeitet und 2018 öffentlich vorgestellt. Die kürzlich umgesetzte 3D-Seismik und die jetzigen Erkundungsbohrungen sind weitere Bausteine. Letztendlich benötigen wir Informationen über die räumliche Lage von Gesteinsschichten und über die Fließwege des Grundwassers. Dies ist wichtig, um die Herkunft des Lösungszutritts zu bestimmen.

Welche Probleme gibt es bei der Bestimmung der Herkunft des Lösungszutritts?

In der Schachtanlage Asse II fassen wir zurzeit die größte Zutrittsmenge auf der 658-Meter-Ebene. Dieses Wasser kommt aus dem Deckgebirge. Die chemische Zusammensetzung der Lösung enthält wichtige Informationen zum Beispiel über das Alter, die Entstehung und den Fließweg.

Das Problem besteht darin, dass die Lösung, die wir auf der 658-Meter-Ebene sammeln, bereits mit der Grubenluft Kontakt gehabt hat. Dabei verändert sich die chemische Zusammensetzung. Für bestimmte Aspekte hat dies keine Bedeutung. Einige Änderungen sind jedoch so gravierend, dass eine belastbare Auswertung nicht mehr möglich ist. Daher benötigen wir unverfälschte Referenzwerte aus dem Deckgebirge.

Wie wurden die Standorte der Bohrungen festgelegt?

Bei der Standortauswahl mussten wir mehrere Dinge berücksichtigen. Aus Sicherheitsgründen wollten wir Abstand zur Schachtanlage Asse II halten. Die Bohrungen sind daher mindestens rund 170 Meter vom Grubengebäude entfernt. Die Gesteinsschichten der Asse verlaufen ungefähr in Richtung Nordwest-Südost. Wir haben also die Ansatzpunkte von der Schachtanlage Asse II ausgehend entlang dieses Verlaufs in Richtung Nordwesten verschoben. Wir versprechen uns davon bei einem minimalen Risiko eine mutmaßlich vergleichbare geologische Situation.

Welche Rolle spielt die Schachtanlage Asse I für den Lösungszutritt?

Die Schachtanlage Asse I ist nicht weit von der Schachtanlage Asse II entfernt. Wir wissen, dass die mit Wasser gefüllte Schachtröhre mit dem Grundwasser der Umgebung in Verbindung steht. Bei der Schachtanlage Asse II wiederum besteht auch eine Verbindung zwischen dem Grundwasser und dem Bergwerk. Wir haben also zwei Systeme, die eine Verbindung zwischen einem Bergwerk und dem Grundwasser aufweisen. Ob diese Systeme zusammengehören und ein System bilden, wissen wir nicht. Dies wollen wir besser verstehen und letztendlich auch Hinweise bekommen, wo das Wasser herkommt. Ein technisch nicht mehr beherrschbarer Lösungszutritt in die Schachtanlage Asse II ist ein Szenario, was wir nicht ausschließen können. Um dieses Szenario besser bewerten zu können, benötigen wir mehr Informationen.

Was passiert anschließend mit den Daten?

Die Daten helfen uns dabei, unser geologisches Modell zu verbessern. Sollten wir auf Grundwasser stoßen, erhalten wir Informationen über die chemische Zusammensetzung. Auch lässt sich bestimmen, wie durchlässig das Gestein ist. Dadurch erhalten wir Hinweise in welchen geologischen Schichten, in welchen Mengen und wie schnell sich das Grundwasser in diesem Bereich bewegt. Sehr wahrscheinlich werden die Bohrungen nicht alle offenen Fragen abschließend beantworten können, aber wir schließen eine weitere Wissenslücke. So können wir die geologische und hydrogeologische Situation der Asse und die damit verbundenen Risiken für die Schachtanlage Asse II besser bewerten.




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