"Wir sehen eine langsame Stabilisierung der Asse"
14.12.2020 Interview
Lutz Teichman ist Leiter der Gruppe Geomonitoring Asse und seit 1991 im Bereich Endlagerung tätig. Ein Interview über die Herausforderung Asse, die Pläne für die kommenden Monate und Ergebnisse, die 2021 zu erwarten sind.
Einblicke: Seit dem Jahr 2019 sind Sie Leiter der Gruppe Geomonitoring Asse. Welche Aufgaben erfüllen Sie und Ihr Team?
Lutz Teichmann: Aufgrund der hochbeanspruchten und bereits stark geschädigten tragenden Elementen und des bestehenden Lösungszutritts ist eine laufende Bewertung der Situation erforderlich. Um die Sicherheit für unsere Bergleute zu gewährleisten und um das Tragsystem für die geplante Rückholung zu stabilisieren, sind umfangreiche Sicherungs- und Verfüllmaßnahmen notwendig. Verändert sich der Gebirgszustand, wird dies vom Team beobachtet und dokumentiert. Weiterhin wird die Zusammensetzung der Lösung genauer untersucht, um Erkenntnisse über den Lösungszutritt und mögliche Änderungen zu erhalten. Dies gibt Aufschluss darüber, wie sich Fließwege verändern.
Daraus ergeben sich Rückschlüsse, welche Maßnahmen umzusetzen sind, um weiter zu stabilisieren und den Lösungszutritt beherrschen zu können. Zum Arbeitsalltag gehört zudem, dass alle unter Tage zum Einsatz kommenden Baustoffe analysiert werden. So wird die Qualität des verwendeten Materials sichergestellt.
Was fasziniert Sie an Ihrer Arbeit?
Ich habe großen Respekt vor der gegebenen Situation. Gleichzeitig reizt mich genau diese Komplexität, die hier vorzufinden ist. Die laufende Bewertung der Messdaten und die Erarbeitung zielgerichteter Empfehlungen für die Stabilisierung des Tragsystems ist eine herausfordernde Arbeit. Ich sehe mich als Moderator, mit dem Anspruch detailliert über die Fakten im Bilde zu sein und das Team so durch die bevorstehenden Aufgaben zu manövrieren. Hierbei fasziniert es mich besonders, mit hochmotivierten und zum Teil noch recht jungen Fachleuten zusammenzuarbeiten. Wir profitieren voneinander, ich kann meine langjährige Erfahrung weitergeben und die jungen Wissenschaftler*innen bereichern das Vorhaben mit neuen Ansätzen.
Welche Punkte nehmen Sie aus dem Gebirgsbeobachtungsgespräch 2019 mit?
Das Tragsystem ist weiterhin stark beansprucht. Die in vielen Bereichen weiterhin ablaufenden Schädigungsprozesse belegen die immer noch herausfordernde Situation. Allerdings zeigen die Ergebnisse der Spannungs- und Verformungsmessungen sowie die Entwicklung der mikroseismischen Aktivität eine langsame Stabilisierung. Der Lösungszutritt hat sich 2019 insgesamt wenig verändert. Eine gesicherte Prognose ist hier aber nicht möglich. Damit besteht weiterhin die Gefahr, dass die Schachtanlage einem technisch nicht beherrschbaren Lösungszutritt ausgesetzt wird. Insgesamt betrachtet zeigt sich, dass die technischen Anlagen so ausgelegt sind, dass der momentane Lösungszutritt sicher gefasst werden kann.
Welche Maßnahmen werden in den kommenden Monaten umgesetzt?
In den nächsten Wochen wird eine mehrere 100 Meter lange Strecke auf der 595-Meter-Ebene betoniert, um diesen zentralen Bereich an der Südflanke zu stabilisieren. Weiterhin werden in den nächsten Monaten nicht mehr benötigte Resthohlräume im Bereich der Nordflanke und im tieferen Bereich des Grubengebäudes verfüllt werden. Momentan läuft die Auswertung der Messdaten der 3D-Seismik. Im Jahr 2021 erwarten wir hieraus erste Ergebnisse, aus denen ein deutlich verbessertes 3D-Modell des Asse-Höhenzuges und der angrenzenden Umgebung erstellt wird. Parallel sind die Messungen im Rahmen der Gebirgsbeobachtung weiter fortzuführen.
Warum sind diese Maßnahmen notwendig?
Die Maßnahmen sollen das Grubengebäude weiter stabilisieren. Dies ist Teil der Notfallplanung und eine wesentliche Voraussetzung für die Rückholung der radioaktiven Abfälle. Mit den über 400 Messsystemen und -bohrungen im Bergwerk kann die BGE Auskunft über das Verformungsverhalten und den Spannungszustand des Gebirges geben. Sie bilden die Grundlage, um Maßnahmen zu planen und so den sicheren Betrieb der Anlage bis zur Rückholung gewährleisten zu können.
3D-Seismik
Das 3D-Seismik-Messprogramm wurde mit der Übergabe der Daten an einen externen Dienstleister am 1. Juli 2020 im Wesentlichen abgeschlossen. Die Auswertung der Daten läuft und erste Ergebnisse sind im Jahr 2021 zu erwarten. Die Sanierung der bei den Messungen beschädigten Wege ist zu einem großen Teil abgeschlossen.