Im engen Wechselspiel mit dem Wirtsgestein

Endlagerbehälter

von Bernward Janzing Artikel

Wer glaubt, dass die hochradioaktiven Abfälle in den berühmten Castoren endgelagert werden, könnte irren. Sie dienen wohl nur dem Transport und der Zwischenlagerung. Im Endlager kommt es auf das Wirtsgestein an. Die Sache ist kompliziert.

Pollux ist längst Geschichte – und seine Nachfolger werden vielfältig sein. Pollux, das war jener Behälter, der in Deutschland einst für die Endlagerung von hochradioaktivem Müll im Steinsalz vorgesehen war.

Doch die Anforderungen an die Endlagerbehälter haben sich erheblich verändert, seit man 1986 das erste Konzept des Pollux entwickelte. Inzwischen ist gesetzlich festgelegt, dass die Gebinde mit dem strahlenden Müll bis zum Ende der Einlagerungsphase rückholbar sein müssen. Zudem müssen sie anschließend für weitere 500 Jahre noch zu bergen sein. All diese Ansprüche hatte man an den Pollux einst nicht gestellt.

Außerdem war dieser Behälter nur für das Wirtsgestein Salz konzipiert. Gebinde für Kristallin-und Tongestein schienen unnötig, weil man sich mit dem Standort Gorleben in den 1970er-Jahren auf das Salz festgelegt hatte. Erst als diese Entscheidung im Jahr 2013 revidiert wurde und die Standortauswahl neu begann, rückten in Deutschland auch Lagerbehälter für alternative geologische Formationen ins Blickfeld.

Jedes Gestein erfordert nämlich einen individuellen Endlagerbehälter, weil dessen Charakteristika eng auf die Eigenschaften des umgebenden Gebirges abgestimmt sein müssen. Der Behälter ist also stets nur ein Teil eines ganzheitlichen und standortspezifischen Endlagerkonzeptes. Etwa weil die Wärmeableitung – ein wichtiger Aspekt bei der Endlagerung – vom Wirtsgestein abhängt. Weil man mit der Behälterentwicklung aber nicht warten kann, bis in Deutschland die Entscheidung über das Wirtsgestein gefallen ist, geschieht diese nun bereits parallel.

Wie viele unterschiedliche Varianten an Behältern man am Ende entwickeln wird, ist noch offen. Aber es werden einige sein, auch weil es sehr unterschiedliche Abfälle gibt, die aufgrund ihrer individuellen Eigenschaften spezielle Anforderungen stellen. Neben den Brennelementen von den westdeutschen Druck-und Siedewasserreaktoren gibt es auch die aus den DDR-Reaktoren vom Typ WWER. Es gibt ferner solche aus diversen Forschungsreaktoren, etwa die thoriumhaltigen Graphitkugeln aus dem Hochtemperaturreaktor Hamm-Uentrop. Unter den Brennelementen gibt es neben denen, die aus Uranoxid bestehen, auch andere aus Mischoxiden (kurz: MOX), also mit Plutonium. Und die Kokillen, in denen die hochradioaktiven Abfälle aus der Wiederaufarbeitung verglast sind, sowie – als einen Sonderfall – den Atomantrieb des Forschungsschiffes „Otto Hahn“.

Grundsätzliche Anforderungen an die Behälter

Die grundsätzlichen Anforderungen an die Behälter sind jeweils gleich definiert. Ganz wichtig: Im Behälter muss unter allen Umständen eine nukleare Kettenreaktion – der Zustand der „Kritikalität“ – ausgeschlossen sein. Dann sind die Temperaturen zu berücksichtigen, die aus der Nachzerfallswärme resultieren: Die Gebinde dürfen auf der Außenseite maximal 100 Grad Celsius heiß werden. Das ist eine vorläufig definierte Grenze, die im Verlauf der Behälterentwicklung auf Basis neuer Erkenntnisse oder Vorgaben angepasst werden kann. Je nach radioaktivem Inventar können diese Anforderungen unterschiedliche Behälter nötig machen. So geben zum Beispiel die Kokillen anfangs besonders viel Wärme ab.

Abhängig vom Wirtsgestein kann der Behälter selbst für eine Übergangszeit von bis zu mehreren Tausend Jahren lang für die Radionuklide als Barriere wirken. Anschließend muss das umgebende Gestein dann für den gesetzten Zeitraum von einer Million Jahre die Barriere bilden. Das setzt voraus, dass das Gestein, das durch die Einlagerung der Behälter in seiner Struktur gestört wurde, zwischenzeitlich ausheilt. Die meisten Wirtsgesteine sind zu einer solchen Ausheilung fähig – es entsteht ein „einschlusswirksamer Gebirgsbereich“.

Besonders komplex wird die Behälterentwicklung, weil sich die technischen Lösungen der vielfältigen Anforderungen mitunter gegenseitig zuwiderlaufen. Zum Beispiel sollten die Behälter, um mechanisch möglichst belastbar und langlebig zu sein, eher dicke Wände haben. Das kann aber zu erhöhter Gasbildung im Zusammenhang mit Korrosionsvorgängen führen. Und Behälter, die für tiefe Lagen konzipiert sind – was im Hinblick auf die Abschirmung von der Biosphäre grundsätzlich von Vorteil sein kann –, leiden außerdem unter der geothermisch bedingten höheren Umgebungstemperatur.

Bevorzugte Materialien der Behälter könnten Metalle sein – speziell wohl Stahle oder Kupfer –, weil man mit diesen über Jahrhunderte Erfahrungen gesammelt hat. Behälter aus Keramik oder auch aus modernen Werkstoffen auf Basis von Nanomaterialien sind ebenfalls denkbar, aber die dafür notwendige technische Reife ist noch nicht industriell verfügbar. Denn hinzukommt, dass man in der Lage sein muss, die Behälter eines Tages in bis zu fünfstelliger Stückzahl industriell und qualitätsgesichert zu fertigen.

Die Entwicklung der Behälter wird von der Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) durchgeführt, unterstützt von Industriekonsortien nach einer internationalen Ausschreibung. Für das Kristallingestein hat die Gesellschaft für Nuklear-Service (GNS) zusammen mit der BGE-Tochter BGE TEC bereits den Zuschlag erhalten. Für Tongestein startet die Ausschreibung demnächst, für Salzgestein folgt sie anschließend. So dürfte am Ende wohl auch mancher Aspekt des alten Pollux-Konzeptes dann doch in die Entwicklung einfließen – denn die Standortauswahl ist als ein lernendes Verfahren angelegt, das sich stets fortentwickelt und auch aus gescheiterten Ansätzen wertvolle Erkenntnisse mitnimmt.

Jedes Gestein erfordert einen individuellen Endlagerbehälter

Schaubild über die Aufbewahrung von Brennstäben im End- und Zwicshenlager

Der Autor

Bernward Janzing studierte Geografie, Geologie und Biologie und arbeitet als freier Journalist mit den Schwerpunkten Energie und Umwelt.

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