„Der Berg bewegt sich“
Asse
06.10.2023 von Alexandra Endres Interview
Die Einlagerungskammern in der Asse wurden in den vergangenen Jahrzehnten durch geologische Kräfte teils stark deformiert. Über die Erkundung des Untergrundes sprachen wir mit der Geologin Martina Herold.
Einblicke: Frau Herold, Sie leiten bei der BGE die Erkundung der Asse. Was machen Sie da genau?
Martina Herold: Mein Team und ich sammeln Informationen über den Untergrund. So kartieren wir beispielsweise die Gesteine an der Erdoberfläche und schauen, wo die Übergänge zwischen den Gesteinsschichten verlaufen. Daraus ziehen wir Rückschlüsse über die Beschaffenheit der geologischen Formationen unter der Oberfläche. Die Erkundungsmaßnahmen machen wir aber nicht allein: Viele Kolleginnen und Kollegen auf der Asse und auch externe Dienstleister unterstützen uns dabei.
Einblicke: Woher wissen Sie, wonach Sie konkret suchen müssen?
Martina Herold: Die Aufträge kommen aus den anderen Fachbereichen der BGE, im Moment vor allem von den Kolleginnen und Kollegen, die für die Rückholung der radioaktiven Abfälle aus der Asse verantwortlich sind. Sie brauchen zum Beispiel bestimmte Daten über den Untergrund entlang des geplanten Rückholschachtes: Welche Gesteine gibt es dort, in welcher Reihenfolge, und wie mächtig sind die einzelnen Schichten? Oder sie wollen mehr über den Zustand der Kammern erfahren, in denen die radioaktiven Abfälle derzeit lagern. Wie stabil ist das Gestein? Welche Kräfte wirken untertage?
Außerdem versuchen wir herauszufinden, wo Flüssigkeiten ins Bergwerk eindringen und wo sie entlangfließen. Das sind nur einige von vielen wichtigen Fragen, die wir sowohl für die Planung der Rückholung der Abfälle als auch für den sicheren Betrieb bis dahin und die anschließende Stilllegung der Schachtanlage beantworten wollen. Im Vordergrund steht dabei grundsätzlich unser Bestreben, die Risiken für die verschiedenen Planungen und die bergbaulichen Aktivitäten so gering wie möglich zu halten.
„Es kann immer sein, dass die Geologie in dem angebohrten Bereich anders ist als angenommen“
Einblicke: Wenn sich das Gebirge bewegt: Wie lange können Ihre Erkenntnisse, die Sie heute zur Asse gewinnen, überhaupt Bestand haben?
Martina Herold: Der grundsätzliche geologische Aufbau des Untergrundes wird sich auch in einer Million Jahren nicht wesentlich verändern. Was den Zustand der Einlagerungskammern angeht: Das ganze Bergwerk wird permanent durch ein Netzwerk unterschiedlicher Sensoren überwacht, das fortlaufend weiter ausgebaut wird. Sobald beispielsweise Risse im Gestein entstehen, wird das von Mikrofonen registriert. Dann wissen wir sofort, dass sich etwas verändert hat, und aktualisieren unsere Daten und überlegen, was zu tun ist, um weiterhin den sicheren Betrieb zu gewährleisten.
Einblicke: Sie tragen auch Daten aus anderen Quellen zusammen, beispielsweise aus amtlichen Statistiken. Was ist schwieriger: die praktische Erkundung mit all ihren Unwägbarkeiten oder das Datensammeln anderswo?
Martina Herold: Bevor wir selbst erkunden, schauen wir immer nach vorhandenen Daten – einfach um zu wissen, was überhaupt noch zu tun ist. Das ist aber eine überschaubare Mühe. Was jedoch zunehmend aufwendiger wird, sind die behördlichen Genehmigungsverfahren, vor allem für unsere Arbeit über Tage. Die Asse liegt mitten in einem Natur- und Landschaftsschutzgebiet, das es zu schützen gilt. Das wollen auch wir, aber wir sollen eben auch die radioaktiven Abfälle zurückholen. Die aufwendigen Verfahren zeigen, wie sensibel und verantwortungsvoll alle Beteiligten mit dieser Tatsache umgehen.
Einblicke: Bisher ist nur eine von 13 Kammern, in denen die Abfälle lagern, überhaupt erkundet. Warum dauert das so lange?
Martina Herold: Wir werden das Bergwerk auch während der Rückholung weiter erkunden – allein aus Sicherheitsgründen. Und wenn wir jetzt die Kammern nach und nach erkunden, können wir nicht einfach so drauflosbohren. Wir müssen abschnittsweise vorgehen, um jederzeit nachjustieren zu können, falls nötig. Es kann immer sein, dass die Geologie in dem angebohrten Bereich anders ist als angenommen.
Dann muss man neu überlegen: Vielleicht sind mehr Bohrungen nötig als geplant, vielleicht würden wir die Bohrungen aus technischen Gründen auch noch einmal anders setzen. Hier kommt es ganz wesentlich darauf an, wie die Genehmigungen für die Erkundungsmaßnahmen gestaltet sind.
Und unsere Daten müssen über Jahrzehnte hinweg nachvollziehbar und belastbar sein, damit sie auch in späteren Genehmigungsverfahren immer wieder Anwendung finden können. Das heißt, wir müssen alles genau dokumentieren. Auch deshalb stecken wir so viel Zeit in den Erkundungsprozess. Aber alles, was wir jetzt tun, wird unsere späteren Aufwände und Risiken verringern.