Elisabeth Kals
Eichstätt
Elisabeth Kals, 59, ist Professorin für Sozial- und Organisationspsychologie an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt. Zu ihren Forschungsschwerpunkten zählen die Motivanalyse menschlichen Handelns und Mediation.
In Trier stand einmal ein Trassenbau an, um neue Stadtteile an die Innenstadt anzubinden. Die Projektpläne führten zu Gruppenbildungen mit Befürworterinnen und Gegnern unterschiedlicher Trassenverläufe. Ein klassischer NIMBY-Konflikt, den wir wissenschaftlich untersuchen durften. Wir stellten fest, dass es in allen Gruppen sowohl um Eigennutz als auch um das Erleben von kollektiver Ungerechtigkeit ging. Ein faires Entscheidungsverfahren und gerechte Lösungen waren zwar allen Beteiligten wichtig, aber NIMBY führt häufig zu Wahrnehmungsverzerrungen: Man selbst schätzt sich konzilianter ein, als man ist – die anderen werden hingegen als unnachgiebiger angesehen, als sie sind. Aufklärung über diese Verzerrungen sowie Fairness als gemeinsame Grundlage fördern Kooperation und gegenseitiges Verständnis. Ein Blick auf NIMBY aus dieser Gerechtigkeitsperspektive ist daher ein wichtiger Schlüssel zur Konfliktklärung. Zu Gegenwehr kann zudem auch führen, dass nicht immer alle relevanten Parteien an den Tisch geholt werden können: vor allem die im Hintergrund Beteiligten und diejenigen, die die Entscheidung auch politisch durch- und umsetzen müssen. Dabei gibt es oftmals leider keine „Kontinuität der politischen Köpfe“, weil etwa aufgrund von Wahlen bis zum Zeitpunkt der Umsetzung des Mediationsergebnisses neue politische Kräfte wirksam werden.
