Offenheit und Transparenz sind mein persönlicher Anspruch

22.12.2017 von Oliver Gehrs Interview

Einleitung

Um für Endlagerung in Deutschland die Akzeptanz der Bevölkerung zu finden, braucht es größere Veränderungen, etwa einen offenen Umgang mit Fehlern.

Ein Interview mit BGE Geschäftsführerin Ursula Heinen-Esser


Ursula Heinen-Esser hat die Geschäftsführung im Mai 2018 verlassen, um Umwelt- und Landwirtschaftsministerin in Nordrhein-Westfalen zu werden.


Foto von Ursula Heinen-Esser
© Felix Brüggemann
Das Thema Endlagerung ist für Ursula Heinen-Esser nicht wirklich neu: Vier Jahre war sie Umweltstaatssekretärin, bevor sie zur BGE wechselte

Einblicke: Mit der BGE gibt es nun eine ganz neue Organisation, die sich in Deutschland um das Thema Endlagerung kümmert. Verdankt sie selbst ihre Existenz der Tatsache, dass aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt worden ist?

Ursula Heinen-Esser: Es gibt uns vor allem aufgrund der Erkenntnis, dass in der Vergangenheit die Reibungsverluste zu groß waren. Es gab zu viele Ausführende, und die Strukturen waren ineffizient. Reibungsverluste und Effizienz waren wichtige Gründe, die zur BGE geführt haben.


Auch Offenheit scheint dabei ein wichtiges Wort zu sein.

Offenheit und Transparenz sind mein persönlicher Anspruch, den ich als BGE-Geschäftsführerin habe. Das heißt: offen über alles sprechen und ein wirklich transparentes Unternehmen werden. Bei der Standortsuche werden wir ein ganz neues Verfahren im Umgang mit der Öffentlichkeit in Gang setzen und von Beginn an alles für die Bürger zugänglich machen. Auch in den anderen Projekten werden wir entsprechend verfahren.


Ist die Herausforderung der Standortsuche nicht schon groß genug? Warum leitet die BGE parallel auch die Projekte Asse, Konrad und Morsleben?

Wir führen das Know-how, das früher in verschiedenen Unternehmen lag, jetzt in einer Organisation zusammen, um es zur bestmöglichen Entfaltung zu bringen. Denn auch das muss man offen sagen: In der Vergangenheit wurde bei den verschiedenen Akteuren zu viel Kreativität darauf verwendet, nicht immer sehr förderlich miteinander umzugehen.


Staatsbedienstete, die transparent mit Fehlern umgehen und daraus lernen – das klingt nach einem größeren kulturellen Wandel. Wie kann der gelingen?

Indem wir als BGE-Geschäftsführer damit anfangen. Wir können diese Offenheit von unseren Mitarbeitern nur verlangen, wenn wir sie auf der Führungsebene überzeugend vorleben. Zudem haben wir mit Professor Oliver Sträter von der Universität Kassel einen Experten damit beauftragt, das auch systemisch zu verankern. Für die Standortauswahl bauen wir jetzt eine neue Abteilung auf, in der dann auch ganz neue Verfahren und Denkweisen etabliert werden sollen.


Wie können es Behörden schaffen, Offenheit zuzulassen und trotzdem rechtssichere Entscheidungen zu fällen?

Erst mal: Wir als BGE sind gar keine Behörde, wir sind ein privates Unternehmen, das sich zu hundert Prozent in Bundesbesitz befindet. Und ja, diese Offenheit ist meine feste Intention. Wir werden alle unsere Entscheidungen ja sorgfältig vorbereiten – aber trotzdem können auf dem Weg zu einer Entscheidung Fehler passieren. Man muss bereit sein, sie einzugestehen und noch mal ein, zwei Schritte zurückzugehen. Allerdings muss es dann irgendwann ein deutliches Vorankommen geben, auch dafür müssen wir sorgen. Kurzum: Wir müssen eine lernende Organisation werden, die lernende Verfahren ermöglicht.


Können Sie als Organisation überhaupt mithalten mit der digitalen Netzwerk-Gesellschaft, in der sich Initiativen schnell organisieren und das Wissen dynamisch wächst?

Wir haben keine Wahl, damit müssen wir uns im Jahr 2017 auseinandersetzen. Angesichts von Prozessen, die auf Generationen angelegt sind, ist das natürlich eine große Herausforderung. Andererseits hilft uns die digitale Welt auch ungemein, weil wir unsere Erkenntnisse und den Stand unserer Arbeit auf digitalen Plattformen jederzeit für die interessierte Öffentlichkeit zugänglich machen können. Dadurch wird es auch schwerer werden als in der Vergangenheit, Unwahrheiten über Projekte zu verbreiten. Die digitale Welt sehe ich daher vor allem als eine Riesenchance für uns, auch in der direkten Kommunikation mit den Bürgerinnen und Bürgern.


Wird es die Kompromissfindung in Sachen Endlagersuche erleichtern, dass Deutschland aus der Atomenergie ausgestiegen ist?

Durch den Atomausstieg und auch durch den Neustart bei der Endlagersuche ist eine bestimmte gesellschaftspolitische Befriedung erreicht worden – und damit auch akzeptanzfähige neue Verfahren. Wir müssen aber sehr vorsichtig damit umgehen, denn die erreichte Akzeptanz ist ein hohes Gut. Dem müssen wir jetzt gerecht werden.


Innenansicht der Infostelle Morsleben
© Janosch Gruschczyk
So wie hier im Morsleben können sich Bürgerinnen und Bürger über das Thema Endlagerund vor Ort informieren
Foto des Endlagers Morsleben über Tage
© Christian Burkert
Die BGE trägt auch die Verantwortung für das Endlager Morsleben

Die Aufgaben der BGE

In der neu gegründeten Bundesgesellschaft für Endlagerung mbH (BGE) werden die Asse-GmbH, die Deutsche Gesellschaft zum Bau und Betrieb von Endlagern für Abfallstoffe mbH (DBE) und Teile des Bundesamtes für Strahlenschutz (BfS) integriert. Die BGE hat damit die Gesamtverantwortung für die Projekte Asse, Konrad, Morsleben und Gorleben übernommen. Zudem ist die Gesellschaft zuständig für den Neustart der Suche nach einem Endlager für hochradioaktive Abfälle. Als selbst gestecktes Ziel gilt es, alte Strukturen aufzubrechen und durch ein transparentes und offenes Handeln Vertrauen in der Gesellschaft zu gewinnen. So will die BGE mit gebündelter Kompetenz die gesellschaftliche Herausforderung – die Suche und den Bau eines geeigneten Endlagers – bewältigen.

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