Beton und Putzlappen
Endlager Konrad
10.12.2024 Reportage
Wenn Atomkraftwerke abgerissen werden, fallen schwach- und mittelradioaktive Abfälle an. Bevor die ins Endlager Konrad kommen, werden sie geprüft, verarbeitet und in Fässer gefüllt, geprüft, in Container gehoben und teilweise noch mit Beton vergossen – und wieder geprüft. Kann man es auch übertreiben mit der Sicherheit?
Der Standort für das Endlager für hochradioaktive Abfälle wird derzeit deutschlandweit gesucht. Ein anderes Endlager wird in Deutschland aktuell errichtet: Im Endlager Konrad in Salzgitter sollen mit Beginn der 2030er-Jahre über mehrere Jahrzehnte hinweg rund 300 000 Kubikmeter an schwachund mittelradioaktiven Abfällen eingelagert werden. Da sie weniger als ein Prozent der Radioaktivität ausmachen, die in den radioaktiven Abfällen enthalten ist, sind sie vergleichsweise unkritisch.
Mehr als 99 Prozent der gesamten Radioaktivität geht von „hochradioaktiven“ Abfällen aus, die lediglich fünf Prozent der Gesamtmenge ausmachen. Sehr wenig Material strahlt also sehr intensiv. Und der Rest? Strahlt kaum – ist aber volumenmäßig ungleich mehr.
Beton statt Brennstäbe
Was an Abfällen ins Endlager Konrad transportiert wird, stammt überwiegend aus dem Rückbau der Atomkraftwerke und anderer kerntechnischer Anlagen, die der nuklearen Großforschung dienten. Zu einem geringen Teil kommen die Abfälle aus der Industrie und aus dem medizinischen Bereich. Das können Rohrleitungen sein, aber auch verunreinigte (fachlich: kontaminierte) Werkzeuge, Schutzanzüge und sogar Putzlappen finden hier ihren endgültigen Bestimmungsort. Der größte Teil dieser Abfälle besteht allerdings aus radioaktiv verunreinigtem Beton.
Bevor ein Kernkraftwerk zurückgebaut wird, wird jeder Bauabschnitt und jede Komponente aufgrund der Betriebshistorie radiologisch eingestuft und vom Strahlenschutz ausgemessen. Stellen, die radioaktiv kontaminiert sind, werden markiert. Alles, was oberhalb strenger Grenzwerte strahlt, wird ausgebaut, mit Presslufthämmern herausgebrochen oder abgefräst. Damit ist allerdings erst die Hälfte der Arbeit erledigt. Es folgt ein ebenso aufwendiger zweiter Teil, die Behandlung – fachlich: die Konditionierung der Abfälle.
Bis nichts mehr fault und gärt
Der Prozess von der Entstehung der Rohabfälle bis zum endlagerfähigen Produkt wird begleitet von etlichen Prüfungen und einer umfangreichen Dokumentation. „Die Eintrittskarte zum Endlager ist die Produktqualität. Die schwach- und mittelradioaktiven Abfälle müssen für die Endlagerung in Konrad außerdem hohe Anforderungen an die radiologische und stoffliche Beschreibung erfüllen“, sagt Dr. Monika Kreienmeyer, Leiterin der BGE-Produktkontrolle.
Die Konditionierung läuft über qualifizierte Verfahren, bei denen jeder Behandlungsschritt in einem Ablaufplan dargelegt und im Vorfeld von der Produktkontrolle geprüft und freigegeben wird. Erst danach darf konditioniert werden. Die Konditionierung wird dann in allen Schritten begleitet und geprüft. Auch diese Überprüfungen werden dokumentiert.
Sollen neue Verfahren erprobt werden, suchen die Abfallverursacher – das sind die Betreiber der Atomkraftwerke – das Gespräch mit den Expert*innen der BGE-Produktkontrolle. „Wir beraten gern, dann gibt es nachher weniger Schwierigkeiten“, sagt Dr. Monika Kreienmeyer.
Was ist “Produktkontrolle”?
Für ein sicheres Abfallgebinde achten die Produktkontrolleur*innen immer auf die folgenden Punkte:
- Produktqualität: Die Abfälle dürfen nicht faulen und gären.
Die Abfälle müssen trocken sein, um Gasbildungen und andere chemische Reaktionen durch Flüssigkeiten unmöglich zu machen. - Radiologische Beschreibung: Alle radioaktiven Stoffe müssen genauestens bekannt sein, um zu prüfen, ob die Grenzwerte für das Endlager Konrad beispielsweise für den bestimmungsgemäßen Betrieb oder die Störfallanalyse eingehalten werden.
- Stoffliche Beschreibung: Alle möglicherweise schädlichen Stoffe werden erfasst. Jedes Abfallgebinde darf nur so geringe Mengen davon enthalten, dass das Grundwasser, das hunderte Meter oberhalb der Abfälle fließt, nicht geschädigt werden kann.
- Zugelassene Behälter: Für ein sicheres Abfallgebinde braucht es einen zugelassenen Behälter. Die Behälterzulassung ist ebenfalls Aufgabe der Produktkontrolle.
Abfälle werden Presslinge
Brennbare radioaktive Abfälle werden in speziellen Anlagen verbrannt. Kontaminierte Abwässer werden verdampft, und nur der feste und belastete Rückstand wird endgelagert. Komprimierbare Abfälle wie Rohrleitungen, Isolierwolle, Schutzkleidung und Asche kommen in dünnwandige Trommeln, die anschließend zusammengepresst werden. Übrig bleiben die sogenannten Presslinge, kleine silbrige, mehr oder weniger dicke Scheiben, die übereinandergeschichtet in 200-Liter-Fässer passen.
Anschließend werden die Abfallprodukte meist in Fässer gepackt und in Container geladen, die speziell für das Endlager Konrad zugelassen sind. Zusätzlich wird ein Großteil der Container noch mit Beton vergossen, um möglichst wenig Hohlräume im Endlager zu haben.
Auch an die Verpackungen sind in Konrad besondere Anforderungen gestellt. Pure Fässer dürfen nämlich nicht eingelagert werden. Fässer müssen in Konradcontainer oder Konradbehälter verpackt werden. Man spricht dann von Abfallgebinden. Diese müssen zum und im Endlager sicher transportiert werden können.
Sicherer Fall aus fünf Metern
Auch die Behälterbauartprüfung liegt in den Händen der Produktkontrolle. Dabei wird getestet – und dokumentiert, versteht sich –, welchen Belastungen die unterschiedlichen Behälter standhalten. Das ist zum Beispiel für manche Behälter ein Fall aus fünf Metern Höhe oder auch ein einstündiges Feuer.
„Zum Schluss schauen wir uns das alles an und checken, ob die Abfallgebinde, also die Container mit dem Abfall, tatsächlich konradgängig sind, wie wir sagen – wenn also alles in Ordnung ist und das Abfallgebinde in das Endlager Konrad eingelagert werden darf“, sagt Dr. Monika Kreienmeyer. Die produktkontrollierten Abfallgebinde werden vorgemerkt und nach Inbetriebnahme des Endlagers Konrad nach und nach vom Endlager abgerufen. Ein unkontrolliertes Anliefern ist nicht erlaubt.
Es zählt immer zu 100 Prozent die Sicherheit – denn damit kann man es kaum übertreiben.
Ein weiteres Endlager ist nötig
Konrad wird nicht alle schwach- und mittelradioaktiven Abfälle aufnehmen können. Bis 2080, wenn alle Nuklearanlagen zurückgebaut sind, werden laut aktueller Prognose über 360 000 Kubikmeter auf die Endlagerung warten – mehr als Konrad aufnehmen kann. Rund 60 000 Kubikmeter müssen also woanders endgelagert werden.
Doch das ist noch nicht alles. In der Schachtanlage Asse II wurden von 1967 bis 1978 rund 126 000 Fässer mit schwach- und mittelradioaktiven Abfällen eingelagert. Weder das Bergwerk noch die geologischen Verhältnisse würden heute als sicheres Endlager zugelassen werden. Der Bundestag hat deshalb beschlossen, diese Abfälle zurückzuholen. Fachleute schätzen, dass am Ende ein Volumen von 200 000 Kubikmetern anfällt. Hinzu kommen gegebenenfalls noch Abfälle aus der Urananreicherung, sodass sich das Ganze auf maximal etwa 680 000 Kubikmeter aufsummiert.
Das Endlager Konrad reicht also nicht aus. Um den ganzen Atommüll sicher endzulagern, wird noch ein weiteres Endlager benötigt. Und es wird auch bereits danach gesucht – im Rahmen der Suche nach einem Standort für hochradioaktive Abfälle. Ob es dann in einigen Jahrzehnten ein Endlager geben wird, in dem neben den hochradioaktiven auch die schwach- und mittelradioaktiven Abfälle eingelagert werden, oder ob die beiden Abfallkategorien in zwei unterschiedlichen Endlagern unterkommen, ist ungewiss. Sicher ist jedoch, dass mit Konrad in wenigen Jahren das erste als solches genehmigte Endlager für schwach- und mittelradioaktive Abfälle in Deutschland zur Verfügung stehen wird.