Im Gespräch – „Wir müssen noch mehr erklären“
Endlager Konrad
10.12.2024 von Joachim Schüring Interview
Für eine knappe Mehrheit der Menschen in Salzgitter ist das Endlager Konrad kein Grund zur Sorge. Doch mehr als die Hälfte der Bürger*innen gibt auch an, wenig darüber zu wissen. Wir fragten Iris Graffunder, wie sie das ändern will.
Sie sind seit Anfang des Jahres Vorsitzende der Geschäftsführung der BGE. Wie schätzen Sie die Stimmung in der Bevölkerung rund um Konrad ein?
Iris Graffunder: Es gibt in der Region sicher ganz unterschiedliche Stimmen. Das zeigt sich ganz gut in einer Umfrage, die wir im Sommer 2023 in Salzgitter durchführten. Demnach ist das Endlager für 57 Prozent der Befragten kein Grund zur Sorge oder Angst. 39 Prozent hingegen haben Bedenken.
Welche Bedenken sind das?
Iris Graffunder: Natürlich drehen sich diese immer um die Gefahren der Radioaktivität und um die Sicherheit eines solchen Lagers. Diese Sorge verstehe ich auch. Gleichzeitig denke ich, dass viele Menschen zu wenig über die Abfälle wissen: über deren Strahlung und welche Gefahren davon ausgehen. So erlebe ich immer wieder, dass nicht unterschieden wird zwischen den hochradioaktiven Abfällen und den schwach- und mittelradioaktiven Abfällen. Beide Abfallarten lassen sich aus Sicht des Strahlenschutzes gar nicht miteinander vergleichen. In Konrad werden nur schwach- und mittelradioaktive Abfälle endgelagert.
Genau das spiegelt die Umfrage ja auch wider – nämlich dass gut 60 Prozent der Befragten nichts oder wenig über die Art der Abfälle wissen.
Iris Graffunder: Ja, genau. Natürlich wäre es gut und wichtig, dass junge Menschen schon in der Schule mehr über die Konsequenzen der Energiegewinnung lernen. Das gilt ja nicht nur für die Atomkraft, mit deren Hinterlassenschaften wir uns noch so lange beschäftigen müssen. Denken Sie auch an die Diskussionen um die Stromtrassen für den Ausbau der erneuerbaren Energien. Wir müssen akzeptieren, dass die Nutzung von Technologien immer auch Nachteile mit sich bringt. Oft sind diese Lasten aber in der Gesellschaft ungleich verteilt.
Wie meinen Sie das?
Iris Graffunder: Nehmen wir das Beispiel eines Flughafens. Von dem fliegen Millionen Menschen in den Urlaub – aber nur die Bevölkerung im Umfeld muss mit den Lärmbelastungen leben.
„Die Endlagerung der radioaktiven Abfälle ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe.“
Was hat das mit einem Endlager für radioaktive Abfälle zu tun?
Iris Graffunder: Die Endlagerung der radioaktiven Abfälle ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Aber gebaut werden muss das Endlager natürlich an einem Ort – in diesem Fall wird es in Salzgitter errichtet. Wir dürfen aber nicht vergessen, dass ein großer Teil der schwach- und mittelradioaktiven Abfälle seit vielen Jahren über das ganze Land verteilt in mehr als 30 Zwischenlagern stehen. Das ist keine dauerhafte Lösung.
Wie gehen Menschen mit dem Thema um, die in der Nähe von Zwischenlagern leben?
Iris Graffunder: Viele Zwischenlager befinden sich in der Nähe von ehemaligen Kernkraftwerken. Die Bevölkerung lebt dort also schon seit Jahrzehnten mit der Radioaktivität. Für viele Menschen waren die Kraftwerke auch Arbeitgeber. Das Wissen um die Machbarkeit des sicheren Umgangs mit den Abfällen ist größer als in Regionen, in denen es keine nuklearen Standorte gibt. Deshalb ist die Stimmung rund um die Zwischenlager in aller Regel eher entspannt.
Aber für die Endlagerung müssten die Abfälle durch die ganze Republik ins Endlager gebracht werden.
Iris Graffunder: Auch heute schon werden regelmäßig schwach- und mittelradioaktive Abfälle per Zug und Lkw transportiert. Diese Abfälle lassen sich vollkommen sicher transportieren. Das Endlager dient der Langzeitsicherheit. Auch wenn von den Abfallbehältern in den Zwischenlagern keine Gefahr ausgeht, ist ein oberirdisches Lager aus Sicht der Langzeitsicherheit keine Option. Nur in einem geologischen Tiefenlager können radioaktive Abfälle fern der Biosphäre und geschützt vor Erosionen, Eiszeiten und auch Kriegen langzeitsicher gelagert werden.
Wenn das so offenkundig ist: Warum gibt es dann doch so viel Ablehnung gegen die Inbetriebnahme des Endlagers Konrad?
Iris Graffunder: Wir müssen die Menschen davon überzeugen, dass der Strahlenschutz vor und während der Einlagerung und dann im Endlager für immer gewährleistet ist. Wir müssen noch mehr erklären, welche Abfälle dort eingelagert werden, welche Strahlung von ihnen ausgeht und welche langfristige Sicherheit ein geologisches Tiefenlager gewährleistet.
„Wir müssen die Menschen davon überzeugen, dass der Strahlenschutz vor und während der Einlagerung und dann im Endlager für immer gewährleistet ist.“
Was sagen Sie den Menschen, bei denen die Sorge überwiegt?
Iris Graffunder: Wir müssen die Menschen und ihre Sorgen ernst nehmen und akzeptieren. Ich bin aber überzeugt, dass wir durch Aufklärung und Informationsarbeit die Befürchtungen zumindest teilweise zerstreuen können. Es muss gesellschaftlich gelingen, dass eine große Mehrheit nachvollziehen kann, dass der sichere Umgang mit radioaktiven Abfällen möglich ist und man nicht per se Angst vor Radioaktivität haben muss. Und natürlich müssen wir die Menschen davon überzeugen, dass das Endlager Konrad ein sehr sicheres Endlager ist.